“Die Technik hat der Pädagogik zu dienen” – Josef Kraus (BBV-Mitgliederforum 2017 ; 2)

Podiumsdiskussion zum Bayerischen Bibliothekstag / Mitgliederforum 2017. v.l.: Josef Kraus, Bernd Sibler, Cornelia Wraba, Ralph Deifel, Doris Schneider
Podiumsdiskussion zum Bayerischen Bibliothekstag / Mitgliederforum 2017.
v.l.: Josef Kraus, Bernd Sibler, Cornelia Wraba, Ralph Deifel, Doris Schneider

Zur Podiumsdiskussion „Lernen – Wissen – Bildung: digital oder traditional?“ am BBT in Donauwörth¹ ließ der Moderator, Staatssekretär Bernd Sibler, als ersten Diskutanten Josef Kraus, langjähriger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes zu Wort kommen. Hier dessen Eingangsstatement:

Die Technik hat der Pädagogik zu dienen.

und

Kompetenz ohne Wissen geht nicht.

Ich habe bisher keine Studien entdeckt, die einen Mehrwert von digitaler Medien entdeckt hätten. In den Hochschulen ist das anders.

Ich bin ein unbedingter Befürworter eines attraktaktiven Bibliothekswesens. Zu meinem Hintergrund. Ich habe ein Gymnasium geleitet, in dessen Gemäuer die Stadt- und Kreisbibliothek war, dessen Ehrenamtlicher ich war. Ich konnte eine attraktive Leseförderung für das Vilsbiburger Schulen (GS, MS, RS) betreiben, bestehend aus:

  • alle 4 Wochen Lesung
  • Lesewettbewerbe für 5.-Klässler
  • Katalogrecherche
  • Lesen an 10 Titel, wofür die Schüler ein Jahr Zeit hatten. Am Ende gab’s einen kleinen Test.
  • 1x pro Woche freies Lesen durch alle Fächer (außer Sport u. Kunst).

Leseförderung hat drei Standbeine

  1. Familie – Vorlesen und Vorbild sein, z. B. durch das Lesen von Zeitungen
  2. Schule – Nicht nur im Deutschunterricht, der aktuell leider wieder nur 3-stündig angesetzt ist. Das Lesen muss quer durch alle Fächer erfolgen
  3. Bibliotheken – Angesichts eines Medienkonsums, wo ein Drittel mehr vor dem Mäusekino sitzt als in der Schule. Ich bin ein unbedingter Befürworter eines attraktiven Bibliothekssystems.

Eine engere Verknüpfung unter diesen drei Standbeinen ist notwendig.

Zur digitalen Bildung

  • Ich bin ein Gegner von nur digitaler Bildung.
  • Kinder konsumieren nur Informationshäppchen mit kontextfreien Informationen
  • Sie ist antikommunikativ
  • Günther Anders (Pseudonym, eigentl. Günther Siegmund Stern) warnte in seinem in den 50er erschienenen Werk „Die Antiquiertheit der Menschen“ vor einer Ikonomanie, also einer Abhänigkeit nur noch vom Bildhaften und davor, dass Menschen zu Masseneremiten werden.

Anmerkung: Da auf dieser Podiumsdiskussion keine Diskussion im Sinne von “Rede – Gegenrede” entstand (offenbar gab es entweder eine große Einigkeit unter den Geladenen oder aber keinen Widerspruchsgeist), füge ich hier nahtlos den zweiten Redeblock von Josef Kraus an.

Bildungsgerechtigkeit wird seit Jahrhunderten diskutiert.

Meine Sorge ist, dass durch manche Innovation, die sich als modern gibt, die Kluft zwischen den sozialen Schichten noch größer wird. Je anspruchsvoller die Schule wird, desto benachteiligter sind die bildungsferneren Kinder. Wir müssen beginnen im Elternhaus, dort muss begriffen werden, dass das Lesenkönnen der entscheidene Zugang zu Bildung ist. Das gilt auch für den Zugang zu digitalen Medien. Wer sich in einem Lexikon nicht auskennt, wird auch im Internet keine vernüftigen Suchstrategien entwickeln könne. Wir müssen eigentlich Elternbildung machen.

Wie kann uns die Elternbildung gelingen?

Durch Zwang, beginnend mit der ersten Grundschulklasse. Möglicherweise hilft eine Drohpädagogik, die darstellt: Welche Gefahren lauern auf unsere Kinder? Die Polizei sollte vorführen, wie schnell man mit einem Mausklick ins Grauen gerät. Weil die Eltern noch viel zu wenig wissen, welche Zugänge die Kinder bereits schon haben und nutzen. Elternarbeit in bildungsfernen Schichten ist verdammt schwierig. Wir müssen enger zusammenarbeiten, auch mit den Jugendämtern.

Redeblock 3:

Eine Vernetzung in Vilsbiburg ist nicht zustande gekommen, weil das Bibliothekspersonal und die VHS nicht die Kapazitäten hatten. Wir scheitern an den Ressourcen. Doch bei Netzwerkarbeit stellt sich ein Mehrwert ein.

Um Bildungsübergänge zu gestalten, dazu brauchen wir Schulen, Bibliotheken, VHS, um konkrete und passende Angebote zu machen. In den Bildungsregionen ist es selbstverständlich, da herrscht ein guter Austausch. Dabei sind in den VHS wie den Schulen die Probleme bei der praktischen Umsetzung dieselben. Wie packe ich es an? Reicht es, wenn wir Vorträge wie zum Beispiel „Gefahr Internet“ anbieten? Doch zu so einem Vortrag kommt kein Mensch, wenn wir es nicht mehr auf die spielerische Ebene heben. Man müsste es ausprobieren.

In der nächsten Blogfolge kommen zu Wort: Cornelia Wabra, Leiterin des Amtes für Weiterbildung der Stadt Regensburg; Doris Schneider, Leiterin der Bibliothek der TH Ingolstadt; Ralph Deifel, Bayerische Staatsbibliothek, Leiter der Landesfachstelle

¹ Bayerischer Bibliothekstag (Mitgliederforum) am 26.10.2017 in Donauwörth

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert