[Serie „Fortbildung Ältere“, Teil 1]¹
Will meinen: Niemand wählte in der Umfrage² die Option „kein Bedarf“ an Fortbildungen aus. Hingegen gaben 67% der befragten³ älteren Mitarbeiter/innen zwischen 50 – 65 Jahren ihren Bedarf als „sehr hoch“ (26%)4 bzw. „eher hoch“ (41%) an.
Als Gründe, eine Fortbildung zu besuchen, wurde angegeben:
- Aus beruflichem Interesse (77%)
- Um neue Impulse für meine Arbeit zu bekommen (59%)
- Meine Stelle erforderte die Teilnahme (55%)
- Ein neues Projekt erfordert vorherige Fortbildung (25%)
- Auf Wunsch des Arbeitgebers (25%)
- Andere (Angaben: neue Technologien, neue Anforderung; Verbesserung der Kompetenzen; Zur Vorbereitung auf eine neue Stelle; ) (3%)
Rund 21% jedoch sind „unentschieden“ in der Beurteilung ihres Bedarfes. Das finde ich hochinteressant und überlege mir in der Art von Leitfragen, WARUM jemand unentschieden sein könnte:
- Halten sie sich für zu alt, um noch einen Fortbildungsbedarf verspüren zu „müssen“?
- Fühlen sie sich zu erfahren, um noch einen Mehrwert an Fortbildung erwarten zu können?
- Sind sie bereits ausreichend und zufriedenstellend mit neuesten Informationen versorgt und daher unentschieden zu weiteren Fortbildungen?
- Schätzen sie zwar ihren Bedarf an Fortbildungen als gegeben ein, haben jedoch schlechte Erfahrungen mit Fortbildungen?
- Ist ein Fortbildungsbedarf zwar vorhanden, jedoch nicht das dazu (inhaltlich, zeitlich, finanziell …) exakt passende Angebot?
- Verfolgen sie die neuesten Entwicklungen im Bibliothekswesen nicht und können daher ihren Fortbildungsbedarf schlecht einschätzen?
- Kennen Sie die neuesten Entwicklungen, sind sich jedoch nicht sicher, ob sie für ihre spezifische Bibliotheksarbeit relevant genug sind?
Die Spurensuche zu einer Antwort führt über weiteren Fragestellungen der Umfrage.
- „Konnten Sie das Gelernte in der täglichen Praxis anwenden?“
Lediglich 12% meinten, sie konnten „eigentlich nur wenig“ oder „so gut wie gar nichts“ an Gelerntem in der täglichen Praxis anwenden.
Damit ließe sich möglicherweise interpretieren, dass meine Leitfragen der Buchstaben a. bis c. eher nicht angebracht sind. Es sei denn für die 38 Umfrageteilnehmenden, die hier keine Antwort abgegeben hatten (TN ursprünglich n=124, zur Frage hier n=86), weil sie eben aus den genannten Fragestellungen heraus keine Fortbildung mehr besucht hatten.
- „Haben Sie noch weitere Anmerkungen?“
Tatsächlich äußerte jedoch immerhin eine von 16 Teilnehmerin in den Anmerkungen: „ältere Mitarbeiterinnen haben viele Erfahrungen!“
Doch auch das Gegenteil wird bekundet: „Ich habe immer Spaß an Fortbildung gehabt, wundere mich aber immer wieder, wie wenig Interesse andere KollegInnen haben“.
So wissen wir also immer noch nicht genau, ob Alter und Erfahrung für immerhin ein Fünftel der Befragten zur Unentschlossenheit gegenüber ihres Fortbildungsbedarfes führten. Lassen Sie uns für die weiteren Leitfragen noch ein wenig in den Anmerkungen stöbern.
Eine heiße Spur zur Bestätigung meiner Leitfragen der Buchstaben d. bis e. sind folgende Anmerkungen in wortgekürzter Auswahl:
- Wunsch nach mehr kleinpreisigen Fortbildungen. 3D-Drucker und Gaming brauche ich nicht
- Vortragstempo zu langsam
- In der Regel vom Niveau her eher niedrig
- Allein mit Vorstellungsrunde etc. vergeht schon eine halbe Stunde, … von diesen Fortbildungen bin ich dann z.T. frustriert
- Oft lag es an der Methodik, dass das Gewünschte nicht erreicht wurde
- Themen eher wb-orientiert
- berufsbezogene Kurse sollten vom Arbeitgeber vollständig finanziert werden
- Erlernen neuer Dinge dauert mit zunehmenden Alter manchmal länger
- In Fortbildungen wird nichts Neues gesagt oder nicht die erwarteten Aspekte
- Für ältere Mitarbeiterinnen gibt es zu wenige Fortbildungen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben
- Fehlendes Personalentwicklungskonzept, und somit sind bibliothekarisch fachliche Fortbildungen dienstlich nicht notwendig
- Selbstverständnis der Bibliothek innerhalb einer Institution fehlt
- Zu eingespannt, keine Zeit für Fortbildungen
- Einzelkämpfer, keine Freiräume für Fortbildungen
Erhärtet werden einzelne Anteile daraus durch Antworten auf den Fragenkanon, unterschieden nach Veranstaltungsarten bzw. -orten: „In wie weit wurden Ihre Erwartungen an die Fortbildungsveranstaltung erfüllt?“ Hierbei verweise ich des Umfangs wegen auf die Bachelorarbeit selbst und stelle als schlechtestes Ergebnis lediglich heraus, dass die Erwartungen „eher nicht erfüllt“ wurden an den Bibliothekartagen. Burkhardt: „Der Bibliothekartag wirkt für die Teilnehmer unübersichtlich und wenig strukturiert“.
Eine weitere Spur findet sich in den 13 Antwortenden, die auf die Frage „Haben Sie neben den bereits genannten noch weitere Vorschläge zu Themen, die Sie interessieren?“ mit einer Vielzahl von Vorschlägen reagierten. Klare Ansage: „Wenn Mitarbeiterinnen nach mehrjähriger Erziehungszeit in die Bibliothek zurückkommen und eine völlig neuen Arbeitsplatz vorfinden, halte ich eine grundlegende Einführung und Einarbeitung für äußerst sinnvoll und wichtig.“ Der mit Abstand häufigste Bedarf … ach, das folgt in einem eigenen Beitrag, sonst wird’s hier zu lang.
Sehen wir uns zuletzt die Leitfragen f. und g. im Spiegel der nächsten Fragestellung näher an.
„Lernen außerhalb formeller Angebote: Wie oft nutzen Sie folgende Informationsmöglichkeiten?“
Die häufigste Informationsquelle ist das Intranet oder die Wikis der eigenen Einrichtung. „Das ist ein Hinweis darauf, wie hoch für die Mitarbeiter die Bedeutung des Wissensmanagements einer Einrichtung ist. Hier wird gezielt nach Informationen für die Lösung eines speziellen Problems gesucht“, so Burkhardt. „Weiterhin wird das Lesen von Fachzeitschriften […] angegeben. Mittels Suchmaschinen wird noch relativ häufig nach Informationen gesucht, das Lesen von bibliothekarischen Blogs und Artikeln findet ebenfalls häufig statt.“
Daraus leite ich wagemutig ab, dass die allermeisten sehr wohl aktuelle Entwicklungen im Bibliothekswesen zu erkennen vermögen – sofern die Fachzeitschriften als „aktuell“ zu bezeichnen sind, wovon auszugehen ist. Doch ob die Entwicklungen für die spezifische Bibliotheksarbeit relevant sind, das könnte eine Fortbildung klären. Doch nicht bei denjenigen, die diesen „unentschieden“ gegenüber stehen. „Auf Verdacht“ werden vermutlich die wenigsten Fortbildungen angeboten oder wird an ihnen teilgenommen. Dazu ist die Finanz- und Personaldecke denn doch zu dünn.
Mein Fazit:
- Der Bedarf an Fortbildungen älterer Bibliothekskolleg(inn)en ist eher als hoch einzuschätzen.
- Es fehlen jedoch inhaltlich, zeitlich und finanziell exakt passende Angebote.
- Es wurden suboptimale Erfahrungen mit Fortbildungen gemacht.
- Gleichwohl besteht hohes berufliches Interesse und der Wunsch nach Impulsen.
- Die Erfahrungswerte, aber auch die Nicht-Erfahrungswerte (z. B. beim Wiedereinstieg) älterer Kolleg(inn)en ist Beachtung zu schenken.
- Also im Grunde nichts Neues: „Die Teilnehmenden dort abholen, wo sie stehen.“ Anders gesagt: Bedarf genau ermitteln und bestmöglichst erfüllen. Punktum.
¹ Hintergrund zur Serie siehe unter Die Bedeutung von Fortbildungen für ältere Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter …
² Burkhardt, Annett: Die Bedeutung von Fortbildungen für ältere Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter am Beispiel der wissenschaftlichen Bibliotheken in Hamburg. Bachelorarbeit von Annett Burkhardt … im Studiengang Bibliotheksmanagement an der Fachhochschule Potsdam. 2015.
³ n=74 von bis zu 124 Teilnehmenden, die an der Umfrage bis zum Schluss dabeigeblieben sind.
4 alle Ergebnisse wurden von ursprünglich zwei Kommastellen kaufmännisch auf- bzw. abgerundet.
Übersicht der Blogbeiträge zur Bachelorarbeit Burkhardts:
- Niemand hat keinen Fortbildungsbedarf, doch viele einen hohen (diese Seite hier)
- Fortbildungsbedarfe in Bibliotheken
- Erfolgversprechende Meldung von Fortbildungsangeboten für Bibliotheken
- Fußnote 68, oder: Lernziel versus Lernergebnis
- Urschen nicht erfüllter Erwartungen an Fortbildung (1)
- Ursachen nicht erfüllter Erwartungen an Fortbildungen (2)
- Bachelorarbeit Annett Burkhardt zur Fortbildung Älterer in Bibliotheken