Michael Knoche (I): Auftakt zur Vortragsreihe “Buchkultur im digitalen Zeitalter”

Christian Lange, Bürgermeister der Stadt BambergIn seinem Grußwort zur Eröffnung der Vortragsreihe¹ “Buchkultur im digitalen Zeitalter” verlieh der Bamberger Bürgermeister und Geisteswissenschaftler Dr. Christian Lange seinem Wunsch Ausdruck, dass die Ringvorlesung “das Wissen in die Stadtgesellschaft zu bringen vermag” und war darin zuversichtlich angesichts des vollen Vortragssaales in der Luitpoldstraße des 17. Oktobers 2019.

Christa Jansohn, Universität BambergMarkus Behmer, Universität BambergBegrüßungsworte sprachen außerdem Prof. Dr. Markus Behmer, Dekan für Geistes- und Kulturwissenschaften und Prof. Dr. Christa Jansohn vom Lehrstuhl für Britische Kultur, Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

“Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft” lautete sodann die Auftaktvorlesung von Referent Dr. Michael Knoche, Germanist, Bibliothekar und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Referent Michael KnocheDie Ältesten – Wie konnten sie sich so langen halten?

Angesichts der Erfahrung des ehemaligen Direktors einer historischen Bibliothek, der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, die im Jahr 2004 beinahe ein Raub der Flammen wurde, lag sein Einleitungsthema nahe. Er begann mit einem kleinen Exkurs zu den ältesten Bibliothek der Welt, die “älter als alle Bibliotheken, Krankenhäuser oder Schulen sind” und mit der Fragestellung: “Wie konnten sie sich so lange halten?”

  • Die Kapitular-Bibliothek (Biblioteca Capitolare) in Verona aus dem 5. Jh. “hat das Erdbeben, die Pest, die Raubzüge Napoleons, die Überschwemmung von 1882 und die Bomben überlebt.” (aus: Comune di Verona, Tourismus).
  • Die Bibliothek des Katharinenklosters (“Am Fusse des Mosesberges”), also in Sinai, gilt “als älteste christliche Bibliothek” und hat den Erhalt seines Bestandes, der fast so groß ist wie die des Vatikans, seiner isolierten Lage auf über 1500 Metern Höhe hinter dicken Mauern und trockener Luft zu verdanken.
  • Die Stiftsbibliothek St. Gallen – Skritporium und die Bibliothek wurden erstmals indirekt bezeugt um 820 – überdauerte die Zeiten in einem Fluchtturm und ab 1553 in einem neuen, zweistöckigen Bibliotheksgebäude. [Die Blogschreiberin bewunderte erstmals 1982 den unglaublich prunkvollen Barockraum, der sogar Skelette in Särgen enthielt. Wobei ich diese auf heutigen Bildern nicht mehr sehen kann. Ob ich mir das damals nur eingebildet hat? Ich glaube nicht, denn es hat mich damals, neben den Filzpantoffeln, sehr beschäftigt.)
  • Der historische Bibliotheksraum der Zellenbibliothek im Stift St. Peter in Salzburg (am Ende auf der Webseite kurz beschrieben) ist nur nach Voranmeldung zu besichtigen und somit dem Zugriff der Welt entrückt.

Sie alle sind unersetzbare Sammlungen insbesondere für Forschungszwecke, von denen Knoche einige aufzählte.

Wissensspeicher: Bibliothekssammlungen versus Internet

Ist nun nach vielen Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden Schluss mit Bibliotheken, weil mit dem Internet der neue Wissensspeicher gekommen ist? Die Frage erinnert Knoche an einen Spruch aus den ’80ern, als es hieß: “Wieso Atomkraft? Bei mir kommt der Strom aus der Steckdose”. Tatsächlich ruht der Grundstock des Internets auf den Sammlungen aus Bibliotheken und den Anreicherungen durch Konvertieren frei zugänglicher Werke.

Es ist ebenfalls Tatsache, dass das Meiste an Literatur nicht im Internet abrufbar ist. Lediglich 16.000 Online-Versionen aus ca. 100.000 Verlagspublikationen sind parallel im Netz zu finden. Bei Zeitschriften sind indes über ein Drittel auch im elektronischen Format erhältlich, und sicherlich wird sich das im Laufe der nächsten Jahre noch steigern.

Was jedoch weiterhin fehlt, ist der größte Teil alter Bestände und sind 5 Mio. Publikationen des 20. Jh. aufgrund der (neuen) Urheberrechtslage. Neu hinzugekommen im 21. Jh. sind allerdings die ebook. Mögen auch die Publikationen aus Naturwissenschaften, Technik und Medizin weitestgehend digitalisiert sein, so trifft das auf die Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften nicht zu.

Ein Satz Knoches hat sich mir als Statement PRO Bibliotheken sofort eingebrannt, und ich werde ihn künftig als “programmatischer Tipp” in Leitbildprozessen einbringen:

Bibliotheken verwandeln das private Gut der Urheber in ein öffentliches Gut, dass allen zugänglich ist.

Bibliotheken, so Knoche weiter, sind neutral, verlässlich, [weitgehend] kostenfrei, umfassend unterrichtend anhand sorgfältig ausgewählter Literatur.

Warum und für wen die geplante Monopolisierung durch das Projekt DEAL ein großes Problem darstellen könnte, dazu mehr im nächsten Beitrag.

Literatur

Knoche, Michael: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft. Wallstein-Verl. 2017.
ISBN: 978-3-8353-3236-2

https://www.wallstein-verlag.de/9783835332362-michael-knoche-die-idee-der-bibliothek-und-ihre-zukunft.html

¹ Die Vorlesungsreihe findet in Kooperation von VHS, der Universitätsbibliothek und der Staatsbibliothek sowie der Stadtbücherei statt. Programm (PDF).

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