Hybrider Leitbildprozess für Stadtbücherei Friedrichsdorf (Hessen): Der Online-Teil

Mehrmals musste seit einem Jahr der Termin für den Leitbildprozess verschoben werden. Doch der geplante Neubau ließ letztendlich keine weiteren Terminverzögerungen mehr zu. So entschlossen sich die Stadtbücherei Friedrichsdorf und ich (also Ilona Munique vom WEGA-Team), es zunächst online anzupacken. Zumal mit dem Architekten Aat Voss ein Projektpartner gewonnen werden konnte, der mit seinem Team aus den Niederlanden für eine Woche lang vor Ort sein wollte. Der Termin also war fix, die Gelder standen bereits, es hieß: JETZT oder Nie!

Hierfür benötigte es der Vorarbeit durch ein Bibliothekskonzept. Schließlich musste klar sein, was an Gutem fortgeführt, an Neuem eingeführt und an Altem weggelassen werden sollte. Kurz: Wie soll das neue Haus bespielt werden?
Die Krux bestand darin, dass das Büchereiteams ohne die Leitung, die zu dieser Zeit noch im Krankenstand war, nicht über alle Hintergrundeinsichten verfügte. Ich vertraute jedoch meinen in 25 Jahren erworbenen Erfahrungswerten in Sachen Prozessbegleitung und riet (durchaus mit Fragezeichen und Zögern) letztendlich zu, auch ohne Leitung zu starten. Die Würfel waren gefallen, das Team atmete erleichtert auf und fasste Mut. Mehr, als dass das Projekt eine andere Richtung nehmen würde, konnte nicht passieren. Alles besser, als festzustecken.

1. Vorarbeiten

Zunächst galt es nach einigen telefonischen Kurzabsprachen, den Zeitplan festzulegen, die Technik zu klären und Informationen zum Stand der Dinge zu ordern. Ich stellte Fragen zu 1) Handlungsfeldern, 2) Zielgrößen, 3) Marktdaten bzw. Strukturdaten mit dem Ziel, das Umfeld zu analysieren.
Eine Umfrage in der Bevölkerung zum letzten Punkt initiierte zwar auch Aat, doch würden uns seine ermittelten Daten für den Prozess nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Dennoch konnten wir sie am allerletzten Tag kurz inspizieren, was unser bis dahin erarbeitetes Ergebnis jedoch lediglich bestätigte. Doch ich greife vor …

Als Vorarbeit zur Auftaktveranstaltung bat ich um eine Imageabfrage. Diese stellt in Gegensatzpaaren Begriffe vor, deren Relevanz bzw. deren Zutreffen einen ersten Einblick über das Wesen der Bücherei verschaffte. Die Abfrage war online möglich, aber auch per PDF zu versenden. Ich führte beide Wege und alle Ergebnisse zu einem Gesamtbild zusammen. Die Anonymität war also gewahrt.

2. Auftaktveranstaltung online

Am 29. September trafen wir uns online, auf Wunsch der Stadt via Microsoft Teams. Den technischen Finessen trotzend – die Stadt war zu diesem Zeitpunkt gerade erst für die neue Art der Kommunikation gerüstet, mehr oder weniger –, konnten wir einen zufriedenstellenden Einstieg erlangen.

Nach Vorstellungsrunde, Stand der Dinge und Vorgehensabsprache war das erste Auftragsziel des Tages, zu klären, was für jede(n) Einzelne(n) ein Leitbild bedeuten würde. Die Ergebnisse entsprachen dem, was ich mir erhofft hatte. Niemand erwartete zu viel oder zu wenig davon, und damit war der Schlüsselmoment positiv erreicht: Vollkommene Akzeptanz des Auftrags “Leitbild” und seines Prozesses. Perfekt!

Weitere Abfragen waren die nach dem Idealbild der Bibliothek, wie es sich für alle ganz persönlich darstellte. Also eine völlig subjektiv geprägte Traumbibliothek. Diese Vorstellungen wurden im Anschluss schriftlich und freiwillig allen Teammitgliedern zugetragen.

Sodann analysierten wir die Imageauswertung und sahen uns vor allem das Ranking genauer an. Bereits diese erste Übung brachte Erhellendes an den Tag und schärfte den Blick für die Situation der Bücherei. Die Ergebnisse wurden später weiter genutzt, sei es für die parallel geführt To-Do-Liste, sei es für die Potenzialanalyse, die die Leitbildaussagen später unterfüttern sollten.

Ein Abgleich der Informationsunterlagen (z. B. das Anforderungskonzepts zur Beschlussfassung des Stadtrats, führende Fragen des Architekten, die Machbarkeitsstudie) stellte sicher, dass wir alle auf dem gleichen Wissensstand waren bzw. es sein werden. Nicht alles war allen bekannt, doch diese Basis muss sein.

Der Vormittg endete mit einer Vorschau zum weiteren Prozessablauf. Eine Aufgabe gab’s außerdem. Sie betraf die Potenziale der Bücherei. Auch diese konnten wieder über eine Online-Abfrage zugesandt werden.

3. Video-Chat-Termin Nr. 2: Potenzialanalyse

Bereits eine Woche später, am 4. Oktober, ging es in die zweite Runde. Diesmal MIT der Leitung, was uns alle sehr freute.

Als erstes nahmen wir eine Analyse der Potenziale aus der Online-Abfrage vor. Die insgesamt 4 locker befüllten A4-Dokumente waren hierfür bereits in eine Zusammenfassung gebracht, die Potenzialbegriffe geclustert. Das sparte viel Zeit, wird jedoch unter normalen Umständen von den Teammitgliedern selbst erstellt. Nun, es gilt, sich an die Anforderungen der Coronazeit anzupassen. Wir konnten also sofort loslegen.

Nach der Analyse stellte ich die (Haus-)Aufgabe, die aufgelisteten Stärken, Talente und Fähigkeiten, aber auch die Schwächen, Probleme und Hindernisse zu priorisieren, also in ein Ranking zu bringen, und mir diese wieder zuzusenden.

Zum Ende des Vormittags erläuterte ich das weitere Vorgehen, welches dann glücklicherweise wieder analog stattfinden würde. Damit wir auch hier rasch vorankommen konnten, bat ich um Zusendung von Stichworten, um die 8 Leitbildgliederungspunkte zu befüllen. Diese begründen den Pool für eine spätere Ausformulierung.

Wir wurden recht pünktlich mit allem fertig und ich war sehr angetan vom Team der Stadtbücherei Friedrichsdorf, deren Disziplin, ihrer Offenheit, dem Sachverstand und dem bedingungslosen Mitgehen in diesem Prozess, nebst pragmatischer Flexibilität.

Es stand uns immerhin einiges noch bevor, und es galt in Anbetracht der Zeitenge weiterhin, einen Kraftakt zu meistern.

Im nächsten Blogbericht schreibe ich über den weiteren, diesmal analogen Leitbildprozess.

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