Zunächst herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Bachelor an Franziska Neudeck und Jana Züge, Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Informationswissenschaften, Studiengang Bibliotheksmanagement (jetzt: -wissenschaft)! Heute will ich über die erste der beiden Prüflinge schreiben, deren (krankheitsbedingt eingesprungene) Erst-Prüferin ich sein durfte. (Gute Besserungswünsche an den Kollegen!). Als Zweitprüferin stand ad hoc Elke Durek zur Verfügung.
Mutiger Einsatz für das neue Bibliothekswesen
Eine “Wiki-Gärtnerin” ist Franziska Neudeck zwar noch nicht, doch mit ihrem mutigen Thema hat sie bereits erste positive Erfahrungen machen dürfen. “Die Position deutscher Behördenbibliotheken nach Lankes‘ New Librarianship. Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten am Beispiel der Bibliothek des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [BMAS]”, so lang der Titel, so umfangreich auch ihre 59 Seiten starke Arbeit plus Anhang, die es am vergangenen Dienstag zu verteidigen galt.
Mutig deshalb, da sich längst nicht alle an das zugegeben in seiner ganzen Tiefe und Tragweite etwas schwer erfassbare Gedankengut von Richard David Lankes heranwagen¹. Noch dazu im Kontext einer Behördenbibliothek. Paradigmenwechsel im traditionsbewussten Bibliothekswesen haben es ohnehin schon schwer, Fachdiskussionen werden selten umfassend und gründlich geführt oder versickern schnell wieder im techno- wie bürokratischen Alltag. Neues aus Übersee wird selten ins Deutsche übersetzt und / oder rezensiert, und wenn, dann eher mit “Übellaunigkeit” und (ich nenne es) “germanesker Skepsis” denn mit Offenheit.
Doch Neudeck ficht das nicht an. Auch, wenn nicht alles, was Lankes, “selbsternannter Anwalt der Bibliotheken”² und Direktor der School of Library and Information Science sowie stellvertretender Dekan des College of Information and Communications der University of South Carolina, empfiehlt, von Neudeck für Ihre Behördenbibliothek im BMAS adaptierbar erschien, so genügte doch das von ihr Emporgehobene, um vor Ort bereits jetzt schon Veränderungen zu erwirken.
Mühsam, zäh und viel Überzeugungsarbeit
Aus einem E-Mail-Austausch heraus – und auch in der Zeit, als ich Frau Neudeck im Wahlmodul “Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising” betreuten durfte – war zu erfahren, dass der Aufbruch in eine neu gedachte Bibliotheksausübung mühsam, zäh und mit viel Überzeugungsarbeit verbunden ist.
Große Systeme sind meist auf Effizienz im Kontext von Sachzwängen ausgerichtete, starre Apparaturen mit “etwas langwierigen Abtimmungen”. Da ist kein roter Teppich ausgelegt für “Menschen, die als Mitglieder ihrer Gemeinschaft diesen Prozess gemeinsam mit ihren Bibliotheken bestreiten wollen und mehr von ihnen erwarten”, so Neudeck, respektive Lankes. Und erwartet wird erst einmal eher weniger als mehr. Vielen Nutzern ist erst mal gar nicht bewusst, was eine Bibliothek zu bieten hat, geschweige denn, dass sie selbst etwas erwarten. Dazu benötigt es Aufklärungsarbeit, auch gegenüber der internen Öffentlichkeit einer Behördenbibliothek.
Paradigmenwechsel ausprobieren
Wenn dann mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit kleine Schritte gelingen, können miteinander längst überfällige Paradigmenwechsel in Sachen “Verbesserung der Gesellschaft durch die Förderung von Wissensgenerierung in der Community” (Fn 26) in die Wege geleitet werden. Nun, da tut sich was im BMAS. Hier deren vorerst noch offen formulierte Ideensammlung:
- Konzeption künftiger kurz- und mittelfristigen Kommunikationsstrategien
- Ausprobieren unterschiedlicher Kommunikationsmaßnahmen
- die erfolgreichen Maßnahmen auch nach der Wiedereröffnung der Bibliothek weiterführen
- Neue, moderne Maßnahmen … als Teil eines Bibliotheksblogs realisieren
- eine Kolumne auf der Startseite des Intranets zu bekommen
Nein, Sie haben sich nicht verlesen! Da steht tatsächlich: Ausprobieren! Applaus, Applaus! So kindlich, so genial. Denn das wissen ja schon die Kleinsten, dass ein Bauklötzchenturm, der wackelig ist, einfach neu und anders wieder aufgebaut werden kann. Manchmal passt das Format nicht, und ging’s mit den gelben nicht doch besser als mit den blauen Steinchen? Sie lernen rasant, und zwar im Tun.
WIR lernen im Tun
Als Erwachsenenbildnerin kann ich nur bestätigen: Lernen hat bei Jung wie Alt mit dem Abschätzen, Ausprobieren, Testen, Wiederholen, Entwickeln und vor allem dem MACHEN zu tun. Wer hier auf Nummer Sicher gehen will und zu lange im “Alles-Bedenken”, im Wenn-und-Aber und in hundert Sicherheitsreißleinen verharrt, bleibt angekettet und trübselig zurück, weil sich das Leben um einem herum längst alle Bausteine gekrallt hat und frisch-fröhlich-frei seine Träume und Wünsche realisiert. Irrtümer mit eingeschlossen, die ohne Aufschrei akzeptiert sind und wo man es beim nächsten Mal gemeinsam einfach besser macht, während das Gros doch schon toll läuft.
Oder wie Frau Neudeck auf S. 58 schreibt: “Gemeinsame Herausforderungen stärken beide Seiten und die Verbundenheit zueinander.”
In diesem Sinne möchte ich ebenso unsere kleine Lerngemeinschaft überschreiben, die nicht an einem starren System “Lehrerin-Schülerin” gescheitert ist, sondern offenbar zur Stärke führte, sich auch schwierigen Themengebieten zu öffnen und sie anzugehen, aller Unkenrufe zum Trotz.
Alles Gute für die (neue) Zukunft, Frau Neudeck!
P. S.: Die Bachelorarbeit ist in absehbarer Zeit über den Publikationsserver der FHP zugänglich.
¹ Der Bachelorarbeit liegt folgendes Hauptwerk zugrunde: Lankes, Richard David: The New Librarianship Field Guide. Cambridge, Mass, Chicago: The MIT Press. 2016.
² Lankes, Richard Davis: Erwarten Sie mehr! Verlangen Sie bessere Bibliotheken für eine komplexere gewordene Welt / herausgegeben und mit einem Vorwort von Hans-Christoph Hobohm. Aus dem Amerikanischen von Erda Lapp und Willi Bredemeier. Berlin: Simon Verl. für Bibliothekswissen, 2017.
[Übersetzung von Expect more! 2. Aufl. 2016]
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