Studienreise Luxemburg (2): Curia Europa

Studienreisegruppe des BIB-Mecklenburg-Vorpommerns im alten Palais des EuGH in Luxemburg

Pressesprecher für Deutschland und Österreich am EuGH, Hartmut ObstEine Nachhilfe in Sachen Staatsbürgerkunde, so erlebte die Studienreisegruppe den Besuch im Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg. Erste Lektion: Die “Curia Europa” besteht mittlerweile nur noch aus zwei Gerichten, nachdem 2016 das dritte, die des Gerichts für den öffentlichen Dienst, aufgelöst wurde. Und zwar 1. Dem “Gerichtshof” und 2. dem Gericht der Europäischen Union (Europäisches Gericht erster Instanz, EuG oder GIE), nachgeordnet dem Gerichtshof der Europäischen Union. Letzteres wiederum sollte mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg) vereint werden. Was abgewehrt wurde. Weil es eben Unterschiede in den Zuständigkeiten gibt. Welche genau, das erfuhren wir von Pressesprecher Hartmut Ost, der für die Sektion Deutschland und Österreich Auskunft gibt. Und das ohne Powerpoint-Präsentation oder Flipchart … einfach so aus der Lamäng heraus. Man hätte ihm stundenlang zuhören können, und alle unsere Fragen wurden zufriedenstellend beantwortet.

Eingangsbereich des Gerichtshofs der Europäischen Union mit einem von 3 TürmenDoch vorher noch mussten wir uns den Zugang zu diesem schlicht-funktionalen Raum erst erlaufen und eine Sicherheitskontrolle wie auf dem Flughafen über uns ergehen lassen. Die Dimensionen des Europaviertels im Luxemburger Ortsteil Kirchberg sind riesig. Erst seit Kurzem fährt eine Straßenbahnlinie vor, allerdings zum rückwärtigen Teil des Gebäudekomplexes, welcher sich seit 1973 in mehreren Bauperioden über den Hügel ausbreitet. Als Vorgängerbau diente ab 1952 – mithin den Anfängen der EU in Form der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, “Montanunion”), später die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), später Europäische Gemeinschaft (EG) – zwanzig Jahre lang die Villa Vauban – Côte d’Eich. Basierend auf dem Schuman-Plan, und diesem berühmten Sohn der Stadt begegnet man auch immer wieder.

Modell des Areals des Europäischen Gerichtshofes in LuxemburgDas älteste Gebäude, welches wir besuchen durften, dient vor allem repräsentativen Zwecken und beherrbergt in seinem Stahlkomplex das Kernstück des EuGH, den “großen Gerichtssaal”. Es ist der heute vollständig umbaute innere Teil des Areals, das so genannte “Palais”, welches von 1975 bis 1999 neben der Verwaltung alle Richter, Rechtsberater, Dolmetscher und die Bibliothek aufnahm. Mit jedem europäischen Land mehr, das der Union beitrat, war natürlich mehr Raum vonnöten. Seit 1952 wurden von Gericht und Gerichtshof immerhin rund 34.000 Rechtssachen durch Urteil oder Beschluss erledigt. (Die Anzahl der Unerledigten fragen wir lieber nicht nach.)

Blick auf den zentralen Gerichtssaal im alten Palais des EuGH in Luxemburg

Daher lagerte man 1988 das Gericht in ein eigenes Gebäude aus und umgab das alte Palais mit dem “Anneau”, welches jedoch sehr schnell wiederum zu klein war. Es entstanden weitere Nebengebäude und die zwei weithin sichtbaren, messingfarbenen Türme, deren Außenfassade an Bücher in Regalen erinnern soll. Alles verbunden von der rund “Galerie”, die für Bedienstete wie Besucher als Orientierungshilfe, Shoppingmale oder auch soziale Hauptschlagader dient.

Aktuell befindet sich ein dritter, 29 Etagen und 118 Meter hoher Turm in der letzten Bauphase. In diese brachte und bringt man vor allem die unglaubliche Masse von rund 900 im Sprachendienst Beschäftigte und die Verwaltung unter. Bei einem Haushalt von 410 Millionen Euro kann man sich die Größenordnung der Finanzabteilung sicherlich denken. Es gilt also, über 2000 Beamte und Bedienstete unterzubringen.

Eingangsbereich des alten Palais des EuGH in Luxemburg

“Da jeder Mitgliedstaat seine eigene Sprache und sein spezifisches Rechtssystem hat, ist der Gerichtshof der Europäischen Union ein vielsprachiges Organ. Seine Sprachenregelung ist für ein Gericht weltweit einmalig, da jede Amtssprache der Union Verfahrenssprache sein kann. Er ist zu uneingeschränkter Vielsprachigkeit verpflichtet, da es erforderlich ist, mit den Parteien in der jeweiligen Sprache des Verfahrens zu verkehren und seine Rechtsprechung in allen Mitgliedstaaten bekannt zu machen.” (aus: “Allgemeine Präsentation”)

Kleiner Sitzungssaal des EuGH

Mittlerweile werden die Rechtsurteile, ausgesprochen von 75 Richtern (EuG/GEI und EuGH) allerdings nicht mehr in allen 24 Amtssprachen bzw. 552 Sprachkombinationen für 28 Mitgliedsstaaten übersetzt, wenn der Gegenstand des Urteils für ein bestimmtes Land keine Bedeutung hat. Ganz sicherlich jedoch dürften Rechtssprechungen beispielsweise zu Fluggastrechten oder Verbraucherrechten in jedem EU-Land von Bedeutung sein. Dafür werden dann auch eigene Broschüren herausgegeben, und überhaupt ist die Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel in Form von Führungen oder der Website, sehr gut durchdacht und gemacht. Derart komplexe, verschiedene Länder abzubildende Strukturen und Leistungen auf allgemeine Verständlichkeit herunterzubrechen hat meinen tiefsten Respekt.

""Der Denker" von Auguste Rodin, eine Replik des Originals aus Paris, in der Galerie des EuGH Luxemburg

Ich meine, ich spreche für die ganze Reisegruppe um Ilona Plath, der BIB-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, wenn ich sage: Meldungen aus dem EuGH sehe ich seit dem 07.09.2018 mit anderen Augen!

Zur Bibliothek des EuGH im nächsten Beitrag.

Alle Berichtsteile zur Studienreise nach Luxemburg

1. Studienreise Luxemburg (1): Cité Bibliothèque

2. Studienreise Luxemburg (2): Curia Europa (Dieser Bericht hier)

3. Studienreise Luxemburg (3): Bibliothek des Gerichtshofs der EU

4. Studienreise Luxemburg (4): Nationalbibliothek

5.1. Studienreise Luxemburg (5.1): Stadtführung, Teil 1

5.2. Studienreise Luxemburg (5.2): Stadtführung, Teil 2

6. Studienreise Luxemburg (6): Mullerthal